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11.6.1993: Wieder stand ein Termin mit IBM-Mitarbeitern in der Nähe von Chemnitz an. Die Grenze war ja noch nicht lange offen und überall wurde heftig an geschäftlichen Kontakten gewerkelt. Jeder wollte der Erste sein und das größte Stück vom noch unverteilten Kuchen "Neue Bundesländer" abbekommen.

Mit dem Auto war ich schon einige Male in Chemnitz und Umgebung gewesen und das war keine Fahrt, die Freude machte. Die Autobahn war nur einspurig fertig. Ohne Überholmöglichkeiten zuckelte man dahin. Gefahren wurde wie im Wilden Westen - es gab keine Kontrollen. Selbst der Wahnsinn in Turin kam da nicht mit! Und dieses Mal sollte der Termin nur knapp 2 Stunden dauern. Mein Teil mit der Vorführung des Programms CAEDS würde voraussichtlich nach ca. einer Stunde beendet sein. Und dafür zehn Stunden im Auto sitzen? Nein!

Chermnitz: Ein neuer Platz auf der Karte
Der Termin sollte gegen 13:00 Uhr beginnen, Chemnitz war gerade erst wieder als Landeplatz zugelassen worden, das Wetter war gut - ich fliege! Anruf in Chemnitz: klar, wir freuen uns, wenn Sie kommen. Aber: wir haben noch kein Flugbenzin. Die Tankstelle ist noch nicht in Betrieb. Kein Problem, der Flug nach Chemnitz würde ca. zwei Stunden dauern. Die Cessna konnte mit vollen Tanks mindestens fünf Stunden in der Luft bleiben. Ich konnte also so planen, dass ich in Chemnitz mit den teilweise geleerten Tanks starten und auf dem Rückflug irgendwo tanken konnte. Da nur ich alleine als "Beladung" im Flugzeug sitzen würde, machte ich die beiden Flügeltanks voll bis zur Markierung.

Es war ein Genuß, diese, für das Auto so scheußliche Strecke, fliegend zu bewältigen. Allerdings war zu diesem Zeitpunkt der gesamte Luftraum zwischen Hof und Chemnitz noch fest in amerikanischer Hand. Was bedeutete, dass private Maschinen sich nur im alleruntersten Bereich bewegen durften. Es war schon ein schönes Gefühl, unter mir auf der "Autobahn" die Staus zu sehen und in niedriger Höhe mit ca. 200 km/h dran vorbei zu fliegen. Die Autobahn war jau auch die perfekte Hilfe zur Navigation.

Chemnitz-Info antwortet nicht
Vom Anflugbaltt her wusste ich, dass der Landeplatz kurz vor der westlichen Stadtgrenze südlich der Autobahn liegen musste. Ca. fünf Minuten vor der vaoraussichtlichen Ankunftszeit schaltete ich den Funk auf die Platzfrequenz um und machte meinen Erstanruf: "Chemnitz Info, Delta-Echo-Foxtrott-Romeo-Whisky". Keine Antwort. Noch ncihtmal ein Knistern oder Knacken im Funkgerät. Da wird doch hoffentlich jemand da sein! Ich hatte doch extra angerufen! In Frankreich wäre das kein Problem, wenn sich an einem Landeplatz niemand meldet. Einmal quer über den Platz fliegen, nach dem Luftsack schauen und selbstständig landen. Aber in Deutschland! Mit all den bürokratischen Hindernissen! Nicht dran zu denken!  Also nochmal die Bodenstelle rufen. Wieder nichts. Nochmal. Wieder nichts. Vor mir tauchten schon die ersten Häuser von Chemnitz auf, der Platz müsste jetzt schon querab liegen! Nochmals rufen. Jetzt, endlich, ganz schwach eine Stimme, die mir die Landerichtung durchgab. Rechtsrum. Queranflug. Rechtsrum. Endandanflug. Den Platz selbst konnte ich erst jetzt sicher ausmachen. Eine Wiede mitten in anderen Wiesen. Keine Gebäude in der Nähe. Ein typischer ehemaliger NVA-Platz: getarnt und unauffällig wie zu besten Zeiten des kalten Krieges. Hallen und Tower lagen so weit weg, dass man sie aus der Luft wohl kaum mit der Wiese in Verbindung gebracht hätte. Die Bahnmarkierungen waren für mich auch erst erkennbar, als ich direkt drauf zuflog. 

Landen, abrollen, abstellen, Landegebühr bezahlen. Ein Typ im Overall, der offensichtlich Flugleiter und Mechaniker in Personalunion war, begüßte mich aufs Herzlichste. In breitestem Sächsisch natürlich: "Tut mir leid, dass ich ihnen im Funk nicht früher antworten konnte. Wir arbeiten noch mit einem alten russischen Gerät. Das reicht nicht weiter, wie zwei Kilometer". Ach so! Kein Wunder, dass ich erst auf Platzhöhe überhaupt etwas gehört habe.

Die Ansprechpartner von IBM standen schon bereit. Wir fuhren zum Kundentermin, machten unsere Präsentation und ich wurde wieder zum Landeplatz zurück gebracht. So weit alles OK.

Unwetter verwandelt Abstellplatz in eine Sumpf-Wiese
Nicht OK war, dass in der Zwischenzeit ein Platzregen und Unwetter über Chemnitz getobt hatten, die alles unter Wasser setzten. Die Cessna troff von Nässe und der Abstellplatz soff fast ab. Wie sollte ich jetzt blos die Tragflächen vom Wasser befreien? Keine Leiter, kein Lappen, kein Abstreifer. Aber ein Start mit der Menge Wasser auf der Fläche wäre lebensgefährlich. Mir blieb nichts anderes übrig, als auf den Trittstufen der Streben so weit wie möglich hoch zu klettern und mit der blosen Hand so viel Wasser runter zu wischen, wie irgend möglich. Zumindest die Flügelnase bekam ich so leidlich frei.

Ein herzliches "Auf Wiedersehen" und ich rollte über den überlangen Zurollweg zur Startbahn. Besser geaagt: ich wollte rollen! Der Boden war durch das Unwetter so weich geworden, dass sich das Flugzeug einfach nicht bewegte. Die Räder waren eingesackt. Mit leichtem Schaukeln, stossweisem Gasgeben und viel Geduld begann sich Cessna endlich zu bewegen. Nur mit Vollgas bekam ich sie vorwärts. Wie sollte da ein Start gelingen? Aber auch hier zeigte sich wieder die NVA Vergangenheit. Die Startbahn selbst hatte eine ca. einen Meter dicke Kies-Drainage unter dem Gras! Trotz des heftigen Regens, war das Gras nahezu trocken! Wegen des restlichen Wassers auf den Flächen liess ich die Maschine erst mal rollend Fahrt aufnehmen, zog dann nur ganz leicht nd wartete, bis das Schütteln aufhörte, bevor ich sie von der Bahn wegnahm.

Kraftstoff-Management
Um meinen Kraftstoffverbrauch zu kontrollieren, hatte ich auf dem  Hinflug den Tankschalter nach links gedreht und ausschliesslich aus dem linken Tank Kraftstoff verbraucht. Die Tanknadel stand nach der Landung im unteren Drittel der Anzeige. Für den Start blieb der Tankwahlschalter in der vorgewählten Position und ich flog die erste Zeit weiter mit dieser Einstellung. Nach etwas mehr als einer Stunde stand die Nadel auf der Null. Ich musste nicht damit rechnen, dass jetzt unmittelbar kein Sprit mehr aus dem linken Tank kommen würde. Die Tankanzeige in der Cessna zeigt, wahrscheinlich absichtlich, immer weniger an, als tatsächlich noch drin ist. Aber ich wusste jetzt: Im noch nicht verwendeten rechten Tank, der bisher ja nicht geschaltet war, wäre ausreichend Sprit für den Heimflug. Landen um zu tanken wäre also nicht nötig. Tankschalter von links auf rechts geschaltet und die restliche Flugstrecke bis kurz vor Poltringen mit dem vollen Tank zu Ende geflogen. Ein paar Minuten vor er Landung stellte ich den Schalter wieder auf Mittelstellung. Damit war einerseits sicher gestellt, dass Sprit aus beiden Tanks gezogen wurde, und andererseits ein gleiches Füllniveau über den Ausgleich einstellen würde. Ich war so stolz auf mein perfektes Kraftstoff-Management! Mit mehr als einer Stunde Reserve gelandet, wo 30 Minuten vorgeschrieben sind! Besser kann man es doch nicht machen. Meinte ich.

Der Anschiss
Die ich erst kurz vor Sunset in Poltringen gelandet war, verzichtete ich auf Tanken. Meine Vereinskollegen, die mit beim Aufräumen halfen, wollten schliesslich nach Hause. Am nächsten Tag musste es ausgerechnet mein hochgeschätzter Fluglehrer, Kurt Egeler, sein, der die Maschine ausräumte und vor dem erstren Flug überprüfte. Inzwischen hatte sich die Spritmenge in beiden Tanks gleichmäßig verteilt. Die sehr konservative Füllstandsanzeige suggerierte jetzt, dass beide Tanks recht leer wären. Ohne einen Blick in die Tanks zu werfen, bekam ich von Kurt eine "Zigarre", die sich gewaschen hat. Ich durfte keine einziges Wort sagen! Unverantwortlich wäre, wie ich die Tanks leer geflogen hätte! So was dürfte einfach nicht vorkommen! Kurt gab mir keine Gelegenheit, meine Vorgehensweise zu erklären.

Es dauerte mehrere Jahre, bis sich die Gelegenheit fand, mit Kurt darüber zu sprechen. Der Grund für seinen Ärger: Er hatte einfach nicht damit gerechnet, dass ich, als "junger" Flieger, ein Sprit-Management machen würde! Unserer Beziehung hat es nicht geschadet und ich bin heute immer noch sehr dankbar darüber,  was ich alles von Kurt lernen durfte.

 

 

 

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