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Es war meine erste Arbeitsstelle nach dem Studium. Als Versuchs-Ingenieur bekam ich die praktischen Probleme in einem Zulieferbetrieb der Luftfahrt sofort hautnah zu spüren.

Das Problem mit der Ölstandsanzeige war gelöst. Nach einer Reihe von weiteren Schwierigkeiten (zu technisch, um sie hier auszubreiten) begann man, erste Flugstunden mit dem neuen Flugzeug zu absolvieren. Dann kam selbstverständlich der erste Wartungstermin auf uns zu. Die Getriebegehäuse mussten komplett zerlegt und alle Teile, entsprechend dem Wartzungsplan, überprüft und ggf. ausgetauscht werden. dazu war es aber nötig, unseren weltweit einmaligen Superlack wieder zu entfernen!

War es schon eine fast unüberschaubare Arbeit, diesen Superlack zu finden, so war dies ein Klax gegenüber der Suche, die jetzt losging! Entweder machte das Lösungsmittel dem Lack nichts aus, oder es zerfrass auch noch gleich das Getriebegehäuse und die Rohrleitungen. Sandstrahlen kam nicht in Frage; das hätte die empfindliche Legierung beschädigt. Zumal wir schon genug Problem mit Sand hatten. Zum ersten Mal waren nämlich einige Hydraulik-Leitungen gleich im Gehäuse mit gegosssen worden. Aber immer wieder konnte, beim Entformen, dann doch das eine oder andere Sandkorn nicht entfernt werden. Sand im Hydrauliköl und Ventile vertragen sich nicht. Also Sand schied aus.

Zu guter letzt blieb nur eine Möglichkeit: Die Getriebegehäuse wurden mit Kirchkernen beschossen! Krischkerne waren etwas härter wie der Lack und etwas weicher wie das Gehäusematerial. Kein Witz! Wir kauften sackweise die Kirschkerne von den Marmeladefabriken und, in einer speziell konstruierten Kammer, wurden die Getriebegehäuse so lange mit den Kirschkernen beschossen, bis der Lack zertrümmert und zerbröselt war.

Wenn man bedenkt, wie kurz die Zeiten sind, bis so ein Flugzeug-Getriebegehäuse zurück in die Wartung kommt, hätte es ein minderwertiger Lack auch getan. Dazu hätte es aber eine Dienststelle gebraucht, die als Stabs-Stelle übergeordnet bei unsinnigen Anforderungen hätte angerufen werden können.

Die Spezifikationen für militärische Produkte richten sich vermutlich nach der Formel:
tauglich - Idioten-tauglich - Militär-tauglich

Wer glaubt, dass es unsinnige Anforderungen nur bei militärischen Entwicklungen gibt, der irrt sich! Auch in der ganz "normalen" PKW-Entwicklung werden hundert-tausende von Euros verbraten, um unsinnige Anforderungen zu erfüllen. Darüber kann ich aber erst berichten, wenn ich nicht mehr auf die Aufträge aus diesen Firmen angewiesen bin. Traurig ist, dass selbst Entwicklungsvorstände, die ich drauf angesprochen habe, noch nicht mal an der Information darüber interessiert waren. Hochfliegende, teure Projekte scheinen sich besser für die Kostenreduktion zu eignen, als schlicht auf unnötiges Material zu verzichten.